Rheinische Post, 17.12.2016 - Franziskus wird am Samstag 80 Jahre alt. Der Papst hat neue Freiheiten in der katholischen Kirche geschaffen. Weniger klar ist, ob seine Kirche diese Freiheiten auch nutzen will.

Nicht einmal an seinem 80. Geburtstag wird Franziskus sich den Luxus erlauben, ein bisschen länger unter der warmen Decke zu liegen. Auch am Samstag wird sich Jorge Bergoglio noch vor fünf Uhr Früh aus seinem massiven Holzbett schälen und beten. Er wird später an seinem Tisch in der Mensa des vatikanischen Gästehauses Santa Marta frühstücken. Der Papst trinkt morgens Kaffee mit Magermilch, er isst Marmeladebrot und seit seiner Zeit in Buenos Aires auch Ricotta-Frischkäse. Was er weniger mag, sind die unterwürfigen Ehrerweisungen, die sein Hofstaat ihm zu seinem runden Geburtstag zukommen lassen wird. Um 8 Uhr versammeln sich die in Rom ansässigen Kardinäle in der Paulinischen Kappelle im Apostolischen Palast, um mit dem Papst an dessen Ehrentag die Messe zu feiern. Wer Franziskus kennt, der weiß, dass ihm die informelle Routine bei den Morgenmessen in der Kapelle von Santa Marta lieber wäre. Aber auch ein Papst hat nicht immer die Wahl. Zugänglicher Dorfpfarrer Nach bald vier Jahren im Amt wirkt Franziskus immer noch wie der zugängliche Dorfpfarrer, der die Ehrfurcht vor der Macht und das schwerfällige Protokoll mit kleinen Gesten oder sogar Witzen durchbricht.

Vielleicht wird am Samstag auch die Staatspräsidentin Maltas in den Genuss dieser unpäpstlichen Leichtigkeit kommen, wenn sie am Geburtstag um zehn Uhr zur Audienz im Apostolischen Palast erscheint. Einer von Bergoglios neuesten Kalauern geht so: „Was ist der Unterschied zwischen Terrorismus und dem Protokoll? Mit Terroristen kann man verhandeln!“ Dass der ernsthafte Protokollchef des Papstes, Erzbischof Georg Gänswein, das auch komisch findet, ist zu bezweifeln. Franziskus gibt sich bei seinen Auftritten weiter leutselig, aber auch nachdenklich. In einem kurz vor seinem 80. Geburtstag veröffentlichten Video, das einer seiner engsten Berater, der Jesuitenpater Antonio Spadaro mit seinem Smartphone aufgenommen hat, gesteht Franziskus zum wiederholten Mal, seine Amtszeit könnte bald zu Ende gehen. „Ich habe das Gefühl, mein Pontifikat wird kurz sein, vielleicht vier, fünf Jahre. Vielleicht täusche ich mich auch“, erzählt der Papst. Am 13. März 2013 wurde Bergoglio von den Kardinälen gewählt. Bricht also nun sein…

Augsburger Allgemeine, 20.10.2016 - Don Luigi Ciotti ist Italiens bekanntester Straßenpriester. Er kämpft für die Schutzlosen, gegen Ungerechtigkeiten, die Mafia und ist selbst in Lebensgefahr. Doch es gibt zunehmend Kritik an seinem Stil.

Es gibt Menschen, die füllen einen ganzen Saal mit ihrer Persönlichkeit aus. Luigi Ciotti gehört zu ihnen. Wenn er auf dem Podium sitzt, dann warten die Zuhörer meistens nur darauf, dass er endlich das Wort ergreift, der Straßenpriester, der Antimafia-Held, der Furchtlose, Don Ciotti. Er spricht gerne und oft, mit ausladenden Gesten und gewichtigen Worten, die er manchmal mantraartig wiederholt. Ein solcher Satz vom ihm lautet: „Nur das Wir kann Veränderungen und soziale Gerechtigkeit erzeugen.“ Wer Don Ciotti noch nie sprechen gehört hat, der wundert sich über die Verve, mit der dieser Mann seinen Einsatz für eine bessere Welt untermalt. Ciotti ist 71 Jahre alt, fast immer erscheint er im hellblauen Hemd, darüber trägt er einen dunklen Pullover. Im Priesterkragen haben ihn die wenigsten zu Gesicht bekommen. Dieser so gar nicht abgehobene Geistliche stammt aus Turin, ist fast nie zuhause und zweifellos ein Unikat, eine Art Irrwisch im Dienste der Gerechtigkeit. Die Universität Augsburg verleiht Ciotti an diesem Donnerstag den mit 10 000 Euro dotierten Mietek-Pemper-Preis für seine Verdienste um Versöhnung und Völkerverständigung. Es gibt zwei Schlüsselmomente in seinem Leben. Zum Einen ist da das Zweite Vatikanische Konzil, das 1965

zu Ende ging. Ciotti war damals 20 Jahre alt und fasziniert von einer Kirche, die ihre Gläubigen nicht mehr nur mit strengen Vorschriften konfrontierte, sondern ihnen das Streben nach Erneuerung gestattete. Viele geistliche Bewegungen entstanden in Folge des Konzils, auch der junge Ciotti gründete eine Gruppe, die sich später den Namen „Abel“ gab, nach dem von seinem Bruder Kain aus Neid erschlagenen Sohn Adams und Evas aus dem Alten Testament. In Abel erkannten Ciotti und seine Mitstreiter das Sinnbild des hilflosen Menschen. Im „Gruppo Abele“ kümmerten sich die jungen Katholiken deshalb um die Resozialisierung von Gefangenen und erstmals in Italien um HIV-Kranke. Als der wenig linientreue Turiner Kardinal Michele Pellegrino den 27-jährigen Ciotti 1972 zum Priester weihte, vertraute er ihm nicht etwa eine gewöhnliche Pfarrei irgendwo im Piemont an. Ciottis Pfarrei sei die Straße, sagte der Kardinal. Ciotti und seine Mitstreiter kümmerten sich um verzweifelte Existenzen, um Drogensüchtige, später…

Rheinische Post - 17.10.2016 Der Vatikan vermietet künftig an McDonalds. Einigen Kardinälen passt das gar nicht.

Papst Franziskus hat sich bislang nicht als wirtschaftsliberaler Befürworter der selbstregulierenden Kräfte des Marktes geoutet. Im Gegenteil, „diese Wirtschaft tötet“, postulierte der Argentinier zu Beginn seines Pontifikats. In diesem Zusammenhang ist ein Mietvertrag von nicht geringem Interesse, den die vatikanische Güterverwaltung Apsa vor Wochen unterschrieben hat. In ein seit Jahren leerstehendes Geschäft in einer Vatikan-Immobilie zu Füßen des Apostolischen Palastes im Borgo Pio zieht im kommenden Frühjahr die Fast-Food-Kette McDonald's ein.  Künftig werden sich im Schatten des Petersplatzes also Weihrauch und der unwiderstehliche Geruch von Frittieröl zu einer höllischen Note vermischen. Ganz abgesehen von der Frage, wie die Geschäftspraktiken des US-Konzerns mit der katholischen Soziallehre und der jüngst veröffentlichten Umwelt-Enzyklika des Papstes in Einklang zu bringen sind, hat die Vermietung auch Unbehagen in der Nachbarschaft ausgelöst. Die Bewohner des Borgo Pio befürchten das Ende des autochthonen Idylls aus überteuerten Trattorien, Klerikerbedarf und Souvenirläden. Sie wollen es der Stadt Florenz gleichtun, die im Sommer die Niederlassung einer McDonalds-Filiale auf dem Domplatz verhinderte. Jetzt herrscht Kulturkampf in Rom. Besonders ungehalten sind insbesondere eine Handvoll Kardinäle, die in demselben Palazzo wohnen und ihre fürstlichen,

bis zu 500 Quadratmeter großen Gemächer zu Schleuderpreisen bewohnen. Bislang waren vor allem Nachbarschafts-Streitigkeiten im Zusammenhang mit stundenlangem Klavierüben eines hochrangigen Prälaten bekannt geworden. Nun fürchten die Eminenzen, unter ihnen vor allem Italiener und zwei Lateinamerikaner, ganz und gar irdischen Krach, Schmutz und vielleicht sogar Mehrkosten durch den notwendig gewordenen Umbau. Beim Papst sei Beschwerde eingereicht worden. Als 1986 die erste italienische McDonalds-Filiale an der römischen Piazza di Spagna eröffnet wurde, protestierten hunderte Italiener gegen den Fast-Food-Koloss. Die Demonstrationen waren der Startschuss für die Gründung der alternativen Slow-Food-Bewegung, die nachhaltige Ernährung fördern will. Ob auch die erbosten Kardinäle öffentliche Protestveranstaltungen initiieren wollen, ist nicht bekannt. Die Vorstellung einer alternativen Volksküche vor dem betreffenden Palazzo mit einer Spaghetti-Speisung aus Prälaten-Hand ist allerdings allzu verlockend. Wahrscheinlich ist hingegen eine interne Klärung der Vorgänge, schließlich hat die vatikanische Güterverwaltung selbst den neuen Mieter ins Haus…

ZEIT online/Christ&Welt 12. August 2016 Seit drei Jahren steht der Präfekt der Glaubenskongregation im Schatten von Papst Franziskus. Wird der 68-Jährige Deutsche bald abgelöst?

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, 68.

Kardinal Gerhard Ludwig Müller, 68.

Auch Riesen haben es manchmal nicht leicht. Gerhard Ludwig Müller ist zwei Meter groß, er überragt seine Gesprächspartner um mindestens einen Kopf. Dass er sein Gegenüber von oben herab behandeln würde, kann man allerdings nicht behaupten. Im Gegenteil, derzeit kommt es häufiger vor, dass der Präfekt der Glaubenskongregation lächelt, obwohl ihm gar nicht danach zu Mute ist. Menschen, die täglich mit ihm zu tun haben, behaupten, Müller habe es in Rom gerade ausgesprochen schwer. Der Grund ist eine tiefe Kluft zwischen der Agenda des Papstes und den Überzeugungen eines Mannes, der dieses Programm eigentlich gestalten sollte. Wenn man so will, führt der 68-Jährige unter Franziskus das Dasein eines Tropfen Wassers in einer Teflon-Pfanne, er wird ständig abgestoßen. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass im Vatikan über Müllers Ablösung spekuliert wird. Der Papst aus Argentinien und der Kardinal aus Mainz-Finthen passen einfach nicht zusammen. Zu Beginn der Amtszeit von Franziskus hätte Müllers Abberufung noch wie ein Affront gegen Benedikt XVI. gewirkt. Ratzinger hatte den ehemaligen Bischof von Regensburg sieben Monate vor seinem Rücktritt noch rasch als Präfekt der Glaubenskongregation installiert, als Garantie für theologische Kontinuität.

Inzwischen sind mehr als drei Jahre vergangen. Die Stimmen, die eine Wachablösung an einer der wichtigsten Schaltstellen in der Kurie für überfällig und folgerichtig halten, mehren sich. Streit um Amoris Laetitia Der Moment, in dem auch den Kritikern des Papstes bewusst wurde, dass es Zeit ist für den Wechsel, war die Präsentation des nachsynodalen Schreibens Amoris Laetitia im April. Die Exhortation ist die Antwort von Franziskus auf die Diskussionen bei den beiden Bischofssynoden in den vergangenen Jahren zum Thema Ehe, Sex und Familie. Bergoglio schlägt darin einen neuen, versöhnlichen Ton an, insbesondere im Hinblick auf das umstrittenste katholische Thema der vergangenen Jahre, die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten. Seit Amoris Laetitia ist der Zugang für die Wiederverheirateten zur Kommunion de facto geebnet. Für Traditionalisten kommt das einem Super-Gau gleich, weil in ihren Augen damit das Gebot der Unauflöslichkeit der Ehe…