Badische Zeitung, 10.9.2014 Tausende Flüchtlinge wollen über Italien in den Norden, doch nicht alle erreichen ihr Ziel. Mohammed hat es geschafft, Abdullah sitzt auf Sizilien fest.

Fotos: Max Intrisano

Fotos: Max Intrisano

Man erkennt sie an der Langeweile und am scheuen Blick. Sie sitzen da und rauchen, kaum als Flüchtlinge erkennbar. Einer neben dem anderen, auf einer steinernen Bank im Mailänder Hauptbahnhof. Unter glitzernden Werbeanzeigen, die eine heile Welt versprechen, warten sie darauf, dass es weitergeht. Noch haben sie keinen genauen Plan, nur eine einzige Idee, die längst wie Stein in ihr Gehirn gemeißelt ist: Nordeuropa. Dort wollen sie alle hin, am besten nach Deutschland oder Schweden. Die drei Männer aus Syrien sind vor ein paar Stunden mit dem Zug aus Sizilien angekommen. Kemal Fatih, Vater von drei Kindern, hat seinen Rucksack neben sich auf die Bank gestellt. Omar Dawani, der faule Zähne hat und dessen Haut sich in Schuppen von den Fingern pellt, hält eine Packung Zigaretten in der Hand. Mohammed Kelar trägt alles, was er hat, in einer kleinen Gürteltasche. Ein Samsung-Smartphone, seinen Pass und 45 Euro Bargeld. Er ist 21 Jahre alt und hat ein Jahr Wirtschaftswissenschaften in Aleppo studiert, bevor ihn die Schergen des Präsidenten Baschar Al-Assad

verhaften konnten. "Sie töten alle, die nicht für Assad sind", sagt er. Seit dem 23. März ist er auf der Flucht. Über Ägypten nach Libyen, von dort in einem der überfüllten Kähne über das Mittelmeer. "Ich hatte Todesangst", erzählt Mohammed. Mehrmals drohte sein Boot unterzugehen. Nach 17 Stunden auf dem Meer griff ihn die italienische Marine auf. Ein paar Tage blieb er im Auffanglager in Syrakus, dann zog er weiter. Jetzt sitzt er verloren in der glänzenden Bahnhofs-Wartehalle. "Ich habe keinen Plan", sagt Mohammed und schiebt sich die Sonnenbrille ins Haar. Eines Tages wolle er Familie, heiraten, ein Kind. "Ein normales Leben eben", sagt er. "In meinem Land wurden wir wie Tiere behandelt." In der Wartehalle wird er später zumindest eine Flasche Wasser, ein U-Bahn-Ticket und einen Platz für eine der Notunterkünfte zugewiesen bekommen. Seit die ersten Familien vergangenen Herbst am Mailänder Hauptbahnhof ihr Lager aufschlugen, helfen Stadt und katholische Organisationen…

11 Freunde, 11.9.2014 Zwei Jahre führte José Mourinho als Trainer von Inter Mailand Krieg gegen die italienische Presse und jagte zugleich ihre Auflagen in die Höhe. Nun ist er weg – und die Reporter wissen nicht, ob sie lachen oder weinen sollen.

In der Woche danach hat sich Mirko Graziano von der »Gazzetta dello Sport« Urlaub genommen und sein Telefon ausgeschaltet. Stefano Pasquino von »Tuttosport« ist drei Tage ans Meer gefahren, um sich zu erholen. Am Schlimmsten hat es Andrea Ramazzotti vom »Corriere dello Sport« erwischt. Er ist unmittelbar nach seiner Rückkehr vom Champions-League-Finale in Madrid ins Krankenhaus gegangen, weil es ihm »nicht so gut« gehe, wie er mit schwacher, fast versagender Stimme ins Handy haucht. Was genau es ist, weiß er auch nicht. Aber es wäre kein Wunder, wenn der Auslöser seiner Kreislaufprobleme José Mourinho hieße. »Bitte erst in ein paar Tagen wieder melden!« Das ist die Standard-Antwort, mit der die Reporter von Italiens großen Sporttageszeitungen Fragen nach dem Gespenst abwehren, auf das sie in den vergangenen zwei Jahren Jagd gemacht haben. Oder war es der Trainer von Inter Mailand, der die italienischen Journalisten bis in ihre Träume verfolgt hat? Jedenfalls haben die Beteiligten ziemlich viele blaue Flecken aus ihrer zweijährigen Chaosbeziehung davon getragen. Es ist ein

bisschen wie bei einem Wirbelsturm, der übers Land hinweg gezogen ist. Er hat alles durcheinandergebracht und war so schnell wieder vorbei, wie er aufgekommen ist. Jetzt rappeln sich die Geschundenen auf und begutachten den angerichteten Schaden. Am Ende haute es sogar José Mourinho selbst um. Nachdem er im ersten Jahr bereits italienischer Meister wurde, gelang ihm in der zweiten Saison das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League. Keiner in Italien hatte das bisher geschafft. Nach 45 Jahren brachte er Inter den Pokal der Landesmeister zurück. Bei der Siegerehrung im Madrider Bernabeu-Stadion am 22. Mai brach Mourinho an der Brust des Inter-Präsidenten Massimo Moratti in Tränen aus wie ein kleines Kind. Zärtlich strich der Präsident dem Trainer einige Male über den Kopf, um ihn zu trösten. Der stolze Mourinho wirkte auf einmal ganz klein und verletzlich. Verrat an Inter Mailand Der Moment bekam seine Dramatik vor allem aus dem Verrat, den Mourinho begangen hatte.…