29. Dezember 2020, Rheinische Post. Elia Minari, 28, ging mit dem Sohn eines Bosses zur Schule, in der Schülerzeitung deckte er Mafia-Geschäfte in Norditalien auf. Heute gibt er Anti-Mafia-Kurse an der Universität.

Elia Minari, Reggio Emilia.

Elia Minari, Reggio Emilia.

Elia Minari hatte mal ein Leben, in dem er sich morgens ein schlabbriges T-Shirt oder ein Polo-Hemd überstreifte. Das war zu Zeiten der Schülerzeitung Cortocircuito, zu Deutsch Kurzschluss. Schüler aus zwölf verschiedenen Schulen in der norditalienischen Kleinstadt Reggio Emilia hatten sich 2009 zusammen getan, um Artikel zu schreiben, in denen es ziemlich schnell sehr ernst wurde. Die Nachwuchs-Journalisten widmeten sich der kalabrischen Mafia, der 'Ndrangheta, als die meisten Menschen in der Region Emilia-Romagna deren Präsenz in der eigenen Umgebung noch für reine Phantasie hielten. Die Schüler unter der Führung von Minari waren so engagiert und genau, dass ihre Nachforschungen bald auch für die Staatsanwaltschaft interessant wurden. Da war zum Beispiel die Sache mit der Disko Italghisa, in der die Schule ihre Feste feierte und über deren Betreiber wilde Gerüchte kursierten. Elia und seine Freunde begannen zu recherchieren. Minari warf einen Blick in das Register der örtlichen Handelskammer, gab die Namen der Eigentümer bei Google ein und stellte bei der Lektüre eines Dokuments der Staatsanwaltschaft fest, dass die kalabrische 'Ndrangheta

in dieser unscheinbaren Disko in Norditalien Geldwäsche betrieb. „So fing alles an“, sagt Minari bei einem Glas Wasser in einer Kneipe in Reggio Emilia. Der 28-Jährige trägt inzwischen blaues Jackett, hellblaues Hemd und blaue Krawatte. Cortocircuito gibt es immer noch, die Mafia auch. Die unbeschwerten Schülerzeitungs-Tage sind hingegen schon lange vorbei. „Die 'Ndrangheta breitet sich immer mehr in der Emilia-Romagna, in der Lombardei, im Piemont und im Veneto aus, aber viel zu oft gibt es Menschen, die wegsehen“, stellte Franco Roberti, ehemaliger Chef der nationalen Antimafiabehörde fest. Auch die Presse hielt den Alarm für übertrieben. Elia Minari und seine Mitstreiter stellten aus Neugier und einem Gefühl der Beunruhigung die Fragen, die damals noch niemand stellen wollte. Don Camillo und Peppone Als die Staatsanwaltschaft Bologna 2016 über 200 Angeklagte im Aemilia-Prozess, dem größten Mafia-Prozess aller Zeiten in Norditalien vor Gericht brachte, hatten die Schüler von Cortocircuito viele ihre eigenen Nachforschungen in Sachen…

11. Dezember 2020 FAZ. Zum Tode der italienischen Fußball-Legende Paolo Rossi.

„Ohne Schatten gibt es kein Licht; man muss auch die Nacht kennen lernen“, hat Albert Camus geschrieben. Auf wenige Sportler trifft diese Weisheit so zu wie auf den italienischen Fußballer Paolo Rossi, der in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag im Alter von 64 Jahren gestorben ist. Rossi ist in Italien das, was man eine Fußball-Legende nennt, entsprechend dramatisch waren auch die Reaktionen am Donnerstag. „Der Fußball und Italien weinen um das Symbol der Nationalmannschaft von 1982“, schrieb die Gazzetta dello Sport, der Corriere dello Sport wähnte gar „den ganzen Fußball in Trauer“. Das italienische Staatsradio brachte den auffällig unaufgeregten Original-Kommentar des Endspiels der WM 1982 in Spanien, als Italien mit Rossi zum dritten Mal Weltmeister wurde. Selbst die Abgeordneten im römischen Parlament widmeten dem Idol nach der Todesnachricht stehenden Applaus und eine Gedenkminute. Rossi, der italienische Allerweltsnachname, Paolo einer der weit verbreiteten Vornamen im Land. Der Mann aus Prato in der Toskana war ein Durchschnittsbürger, aber eben auch ein begnadeter, wendiger Stürmer. Eher schmächtig, weshalb ihm seit seinen Auftritten bei der WM 1978 in Argentinien der hispanisierte Kosename Pablito angedichtet wurde. Viele Italiener verehrten den

sechsfachen Torschützen aber vor allem nach der WM 1982. Bei der erzielte er drei sagenhafte Tore gegen den Turnierfavoriten Brasilien, zwei gegen Polen und eines beim 3:1 im Finale gegen Deutschland, Rossi wurde Torschützenkönig und schließlich sogar zu Europas Fußballer des Jahres gewählt. Das 3:2 in der Zwischenrunde gegen Brasilien war so etwas wie Rossis Spiel des Lebens. „Für mich war das der Moment meiner Wiedergeburt, als ob mich jemand da oben wirklich gesehen hätte“, erzählte er einmal mit typisch toskanischem Akzent und Sinn fürs Jenseits. „Ich galt als Flasche und war auf einmal der Allergrößte und das innerhalb von nicht einmal 90 Minuten.“  In Spanien machte sich Rossi für seine Landsleute unsterblich. Der Sport, aber auch nachsichtige Wankelmütigkeit hatten gezeigt, wie schnell ein Phönix aus der Asche steigen kann, wenn man ihm die Gelegenheit dazu bietet. Rossis Leben veränderte sich nach der WM schlagartig. Dabei hatte Nationaltrainer…