Christ&Welt, 6.Oktober 2022 - Italiens designierte Ministerpräsidentin sucht das Bündnis mit rechtskonservativen Katholiken. Was ihr Kirche bedeutet, hat auch mit ihrem Vater zu tun, einem Atheisten, Kommunisten und Steuerberater.

Don Fernando Altieri ist schon genervt. Immer wieder rufen jetzt Menschen an, die in der Vergangenheit von Giorgia Meloni bohren und wissen wollen, wie das mit ihr und der Kirche ist. „Ich habe sie zuletzt vor ein paar Wochen hier gesehen“, sagt der Pfarrer der Kirche Santa Maria del Carmelo in Rom. „Letztes Jahr war sie jeden Sonntag da, jetzt sieht man sie wegen der vielen Verpflichtungen weniger.“ Wenn man nicht irrt, ist bei Don Altieri ein wenig Stolz durchzuhören, dass er ein so prominentes Gemeindemitglied hat: Giorgia Meloni, Parteichefin der ultrarechten, postfaschistischen „Brüder Italiens“, mutmaßlich bald Ministerpräsidentin Italiens und erste Frau in diesem Amt. Die Kirche Santa Maria del Carmelo im Torrino-Viertel ist ein Gebäude aus den 19070er Jahren, sie hätte das Zeug für einen Stanley-Kubrick-Film. Man kann sich künftige Regierungschefin nicht so recht vorstellen, wie sie in diesem gottgeweihten Raumschiff andächtig in der Bank sitzt, sich bekreuzt, still hält, besinnlich ist. Man hat sie ja zuletzt vor allem eher laut erlebt, im Wahlkampf. Mit Parolen wie: „Ich bin

Giorgia, ich bin eine Frau, eine Mutter, eine Italienerin, eine Christin!“ Oder: „Dio, patria, famiglia“ - Gott, Vaterland, Familie. Es gibt schlimmere Szenarien für die katholische Kirche in Italien als eine Frau, die sich gottesfürchtig, christlich und familienfreundlich gibt. Allerdings hat diese Haltung bei Meloni eine rechtsradikale Note. „Dio, patria, famiglia“ etwa ist ein Slogan, den die italienischen Faschisten unter Diktator Benito Mussolini dem italienischen Risorgimento entlehnt haben. Die italienische Trias sollte den als ungebremst wahrgenommene Freiheitswahn der französischen Revolution in sicherere Bahnen lenken. Die Faschisten nutzten den Spruch 70 Jahre später für ihre Propaganda. Die Anfänge der kleinen Giorgia hätten nicht weiter entfernt von dieser Ideologie liegen können. Der Vater, Steuerberater, Kommunist und Atheist, ließ die Familie Ende der 1970er Jahre in Rom im Stich und zog auf die Kanarischen Inseln. Als Vermächtnis verbot er der Mutter noch, die beiden Töchter zu taufen. Die vaterlose Giorgia muss ihre Großmutter…