Renzi auf Rambokurs

Augsburger Allgemeine, 18.2.2017 - Matteo Renzi will erneut italienischer Ministerpräsident werden. Gegner aus seiner Partei kämpfen dagegen an.

Im italienischen Partito Democratico (PD) spielt sich ein Machtkampf ab. Man kennt solche Manöver aus der italienischen Politik zu Hauf. Aber diesmal ist es anders, ernster. Auf dem Spiel steht die Spaltung der größten italienischen Mitte-Links-Partei, die die tragende Säule der derzeit amtierenden Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni ist. Für Europa war der linksbürgerliche PD zudem so etwas wie die Garantie oder die Hoffnung, dass populistische, dezidiert anti-europäische Kräfte wie die 5-Sterne-Bewegung, die rechte Lega Nord oder Silvio Berlusconi es nicht (wieder) an die Macht schaffen würden.

An diesem Sonntag tagt die Generalversammlung der Partei in Rom. Das Treffen hat High-Noon-Charakter, denn der Streit zwischen Parteichef Matteo Renzi und der linken Minderheit wird dann seinen Höhepunkt erreichen. Am Samstag bereits trifft sich das linke Lager in einem Theatersaal in Rom, um sich von Renzi abzusetzen und vielleicht sogar die Spaltung der Partei offiziell zu machen. Italienischen Medien zufolge ist der Bruch kaum noch zu verhindern. Ex-Parteichef Pierluigi Bersani behauptete, unter den Wählern des Mitte-Links-Lagers sei die Spaltung bereits eine Tatsache.

Schwindende Gewissheiten

Der Kern der Auseinandersetzung ist Renzi höchstpersönlich. Der ehemalige Ministerpräsident galt in Berlin und Brüssel zwar als Nervensäge, aber letztendlich doch als verlässlicher Partner, als eine Art kleinstes Übel unter lauter schwindenden Gewissheiten. In seiner Partei ist der 42-Jährige aber seit seinem Aufstieg zum Vorsitzenden umstritten. Renzi war 2013 angetreten mit dem Versprechen, die alte Politikergarde zu „verschrotten“, das kam beim PD-Establishment nicht gut an. Seine Regierung startete im Februar 2014 zudem mit dem Geburtsfehler, dass er mit Enrico Letta einem Ministerpräsident aus der eigenen Partei in den Rücken fiel, um selbst die Macht zu übernehmen. Seine Respektlosigkeit gegenüber den Gewerkschaften besorgte den Rest.

Im Grunde hat sich an der parteiinternen Kritik durch alte Sozialisten und frühere Kommunisten seither nichts geändert. Sie halten Renzi für einen selbstgerechten, im Grunde konservativen Rambo, dem vor allem am eigenen Aufstieg gelegen sei. Mit dem entscheidenden Unterschied: Renzi ist heute politisch angeschlagen. Bis Dezember saß der Toskaner als Ministerpräsident und Parteichef fest im Sattel. Dann stimmten die Italiener am 4. Dezember mit deutlicher Mehrheit gegen die Verfassungsreform der Regierung, Renzi trat als Premier zurück. Seine internen Kritiker um Bersani und den ehemaligen Ministerpräsidenten Massimo D’Alema frohlockten und hofften auf eine Abrechnung mit dem ungeliebten Chef. Die ist bis heute nicht erfolgt. Renzi will so schnell wie möglich zurück an die Macht, seine Gegner versuchen das zu verhindern.

Surrealer Streit ums Timing

Deshalb ist der Parteikrach in einen beinahe surrealen Streit um das richtige Timing ausgeartet. Renzis vierjähriges Mandat als Parteichef läuft noch bis Dezember, die italienischen Parlamentswahlen stehen turnusmäßig im Februar 2018 an. So lange will der Ex-Premier aber nicht warten. Seine Sorge ist, weiter an Terrain in der eigenen Partei zu verlieren und dann der Chance beraubt zu sein, erneut selbst Ministerpräsident zu werden. Renzi setzt deshalb darauf, noch vor dem Sommer von den Mitgliedern als Parteichef wiedergewählt zu werden, seine Aussichten auf die Wiederwahl sind gut. Die Partelinke hingegen strebt eine Neuauasrichtung und Urwahlen im Herbst an. Renzi, so lautet das Kalkül, wäre nach einer Niederlage des PD bei den Kommunalwahlen im Juni so geschwächt, dass er anderen den Vortritt lassen müsste.

Der Partito Democratico insgesamt macht in diesem Streit einen desaströsen Eindruck. Während Ministerpräsident Gentiloni in aller Stille und Unauffälligkeit seinen Job erledigt, ringen Renzi und seine Kritiker um die Macht. Wie auch immer die Kraftprobe ausgehen wird, im Moment befeuert der Streit vor allem die politischen Gegner des PD, allen voran die 5-Sterne-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo. Einer der Vermittler im Partito Democratico, Justizminister Andrea Orlando, hat seine Genossen bereits vor den Konsequenzen der Selbstzerfleischung gewarnt. Orlando sagte, er fürchte, dass der PD auf diese Weise zum „Epizentrum der Unstabilität des Systems“ werden könne.

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