Wie Donnerhall

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.11.2015 Der AC Mailand und sein 16 Jahre alter Stammtorwart Gianluigi Donnarumma

ROM. Er trägt der Vornamen Gianluigi, reicht mit dem Kopf beinahe bis zur Querlatte und hütet das Tor einer der berühmtesten Mannschaften in der italienischen Serie A. Nein, die Rede ist nicht von Supergigi, Gigi Nazionale, alias Gianluigi Buffon, der Torhüterlegende von Juventus Turin und dem italienischen Nationalteam. Italiens Fußball freundet sich gerade mit einem neuen Nachnamen an, der wie eine Mischung aus Frauenheld und Donnerhall klingt: Donnarumma, Gianluigi, 16 Jahre alt, neuer Stammtorwart des AC Mailand.

Nicht Gigi, sondern Gigio rufen ihn die Kumpel, mit denen weniger begabte Fußballer in diesem Alter noch kicken würden. Seit Saisonbeginn steht der frühreife Donnarumma im Kader von Milan; schon in der vergangenen Spielzeit holte der frühere Trainer Filippo Inzaghi den 1,97 Meter großen Jüngling ins Aufgebot, der Keeper blieb aber ohne Einsatz. Drei Spiele nacheinander hat nun Milans neuer Coach Sinisa Mihajlovic dem Milchbart aus Catellamare di Stabia den Platz zwischen den Pfosten anvertraut.

Castellamare di Stabia im Golf von Neapel ist einer der Orte in Italien, die das Zeug zum Paradies hätten, aber von Arbeitslosigkeit und Kriminalität geprägt sind. Aus seiner unbequemen Heimat ist der Torwart aber schon eine ganze Weile weg. Vor zwei Jahren lotsten ihn die Verantwortlichen des AC Mailand in die Lombardei, Donnarumma begann als 14-Jähriger im Milan-Jugendsektor, in dem auch schon sein 25 Jahre alter Bruder Antonio reüssierte. Dessen Empfehlungen sowie das persönliche Engagement von Sportdirektor Adriano Galliani sollen den Ausschlag für den AC Mailand gegeben haben. Auch Inter Mailand und Juventus Turin bemühten sich um das Talent, vergeblich.

Dass Donnarumma ausgerechnet in der jetzigen Phase Stammtorwart Diego López abgelöst hat, verwundert einerseits. Acht Spieltage nach Saisonbeginn fand sich der 18-malige italienische Meister auf Platz 13 der Serie-A-Tabelle wieder, Trainer Mihajlovic musste seinen Rauswurf befürchten – und setzte im nächsten Match auf einen 16 Jahre alten Keeper ohne jegliche Erfahrung im Profibereich. Andererseits stellte sich erst jetzt heraus, dass der mehr als doppelt so alte Stammkeeper López (34), der in der Vergangenheit bereits das Tor von Real Madrid hütete, seit vier Monaten an einer Sehnenscheidenentzündung im Knie leidet. Der Spanier meldete sich erst zu Wochenbeginn vom Trainingsbetrieb ab. Anstatt den Alttorwart Cristian Abbiati (38) zu reaktivieren, setzte Mihajlovic bereits präventiv auf den Nachwuchsmann. „Ich achte nicht auf das Alter, ich schaue, ob jemand gut ist oder nicht“, sagte der Trainer. „Zuletzt machte Donnarumma den besseren Eindruck.“

Aus den drei Spielen mit Donnarumma im Tor ging der AC Mailand jeweils als Sieger hervor. Bei den zwei Treffern, die Donnarumma bei den Siegen zu Hause gegen Sassuolo Calcio (2:1) und bei Lazio Rom (3:1) entgegennehmen musste, machte der Jungtorwart allerdings nicht die beste Figur. Als deshalb Kritik laut wurde, stellte Mihajlovic klar: „Ich habe Vertrauen in ihn, er hat Persönlichkeit. Ein so junger Kerl sollte mit mehr Wohlwollen von allen behandelt werden.“ Fest steht, dass Milan mit Donnarumma im Tor wieder auf dem Erfolgsweg ist. Das Team trennen nur noch fünf Punkte von der Tabellenspitze. Beim AC Mailand ist man sich sicher, den italienischen Torwart der Zukunft in den eigenen Reihen zu haben. Donnarumma werden Seriosität, Furchtlosigkeit und Bescheidenheit bescheinigt.

Geht es nach Donnarummas Agent, dann steht der Junge schon in einer Reihe mit italienischen Torwartlegenden wie Dino Zoff, Walter Zenga und Gianluigi Buffon. „Wenn der Klub seine internationale Strahlkraft wiedererlangt, könnte er der neue Buffon von Milan werden“, sagt Mino Raiola. Um die Gelüste der Konkurrenz auf den Nachwuchstorwart einzudämmen, steht eine Vertragsverlängerung samt Gehaltsaufbesserung für Donnarumma bevor. Der Milan-Keeper wurde zudem erstmals in den Kader des italienischen U-21-Nationalteams berufen. Ein Beleg für eine beispiellose Begabung.

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